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Twitter und Suizid

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Inhaltswarnung

Im folgenden Blogposting beschäftige ich mich mit Suizid. Solltest Du, liebe/r Leser/in, die Gefahr sehen durch die Beschäftigung mit diesem Thema belastet zu werden, dann bitte ich Dich inständig nicht weiterzulesen, oder aber Dir vorher ganz bewusst darüber zu sein und/oder ggf. im Beisein oder nach Absprache mit einer Vertrauensperson weiterzulesen.

In der letzten Zeit bin ich auf Twitter wiederholt auf die Frage gestoßen, wie ich mit Suizidankündigungen umgehen sollte. In der Vergangenheit habe ich, wenn ich hinter Tweets eine solche Ankündigung las, versucht mit der entsprechenden Person in Kontakt zu kommen. Das ist aber teilweise, zumindest auf dem Direkt-Nachrichtenweg, nicht immer möglich (non-following, protected Account). Öffentlich beschränke ich mich zumeist auf Zureden oder Zuspruch. Ich möchte vermeiden das Leid des betroffenen Menschen durch eine öffentliche Kommunikation potentiell ungewollt der ganzen Welt zu offenbaren. Begnügt mensch sich also im Falle einer nicht möglichen direkten (vertrauten) Kontaktaufnahme mit einem einfachen ReTweet? Wen ruft mensch zur Hilfe? Sollte gleich die Polizei informiert werden?

In der nahen Vergangenheit hatte ich mich in einem Fall auf den ReTweet einer  solchen Ankündigung beschränkt. Der Fall endete leider im Tod des betroffenen Menschen. Andere Twitterer haben zwar reagiert und die Polizei verständigt, diese kam aber leider zu spät um den Menschen zu retten. Diesen konkreten Fall hat @Grete_o_Grete in einem sehr lesenswerten “Brief an einen Unbekannten” verarbeitet.

Erfahrungen mit dem Polizeinotruf

Dann kürzlich war es wieder einmal so weit. In meine Timeline schwappte die nächste Suizidankündigung, bzw. der nächste Abschiedsbrief. Den handschriftlichen, eingescannt oder abfotografierten, Brief haben Follower des geschützten Accounts des betroffenen Menschen heraus in das öffentliche Twitter geworfen um Aufmerksamkeit zu erzeugen und um Hilfe zu rufen. Wie bei Twitter üblich, verbreitete sich dieser Brief recht zügig und erreichte schließlich auch mich. Weitergegeben von einem Menschen den ich auch im “echten Leben” auf verschiedenen Veranstaltungen persönlich kennengelernt habe und dem ich ein gewisses Vertrauen schenkte. Dieses mal habe ich sofort reagiert. Ohne weiter nachzudenken habe ich den Polizeinotruf angerufen und die entsprechenden Daten (Twitter-Nick des vermeintlichen suizidalen Menschen, URL zu dem eingescannten/abfotografierten Abschiedsbrief) durchgegeben. Die Dame am Polizeinotruf war sehr engagiert, nahm die Information sehr ernst, war aber doch offensichtlich ob der unbekannten “Materie Twitter” etwas überfordert. Sie versprach sich der Sache an zu nehmen und bat mich erreichbar für Rückfragen zu bleiben.

In der Zwischenzeit habe ich dann selber recherchiert und geschaut wer, wie auf diese Tweets und ReTweets reagiert hat. Es folgte schnell ein Rückruf durch die Polizei, wo man mich bat doch mal zu erklären “wie man sich in dieses Netzwerk Twitter anmeldet” und warum ich die Person persönlich nicht kenne, ihre Nachrichten (geschützter Account) nicht lesen könne, aber dennoch dem Brief eine Bedeutung beimaß. Ich versuchte die Grundlagen von Twitter möglichst einfach zu erklären, verlor aber langsam die Hoffnung, dass es der Polizei gelingen könnte rechtzeitig zur Hilfe zu eilen. Nach dem Ende des zweiten Gesprächs stieß ich dann auf eine Reaktion eines anderen, mir bis dato unbekannten, Twitternutzers. Er schien mir ein Polizist oder Angestellter eines Landeskriminalamtes zu sein und ich fragte ihn ob er mehr wüsste über den Fall, bzw. ob er bestätigen könnte, dass an dem Fall die Polizei dran wäre. Er bestätigte mir ein LKA X habe das zuständige LKA Y informiert und die lokalen Polizeibehörden wären informiert. Dies teilte ich dann auch der Dame vom Polizeinotruf mit als sie wenige Minuten wieder, ohne selber in Sachen Twitter-Recherche vorangekommen zu sein, zurück rief. Sie dankte und versuchte diesen Informationsfluss von LKA X zu LKA Y nachzuvollziehen und konnte mir diesen dann in einem letzten Rückruf bestätigen. Ich war erleichtert. Was letztlich aus dem Fall geworden ist, weiß ich nicht. Ich hoffe es ist der Polizei gelungen rechtzeitig Hilfe zu leisten.

Wie kann/sollte mensch reagieren?

Seither beschäftigt mich die Frage wie denn ein richtiger Umgang mit solchen Ankündigungen aussehen könnte und was in einem solchen Fall konkret getan werden kann, bzw. sollte. Ich möchte mit den folgenden Punkten die Ergebnisse meiner Überlegungen zur Diskussion stellen:

Was zu tun wäre:

  • Umgehende Information des Polizei-Notrufes
    • URL und Benutzername des betroffenen Menschen
    • ggf. Informationen über die Art des Tweets (also bspw. ob der Tweet durch einen Scheduler-Client versandt wurde, das kann bspw. auch TweetDeck, ggf. GeoLokalisierungsdaten nennen)
    • sofern bekannt Reale Personen aus dem Umfeld des Menschen mitteilen
    • Erreichbar bleiben für Rückfragen durch die Polizei
    • Durchwahl der mit dem Fall betrauten Beamten geben lassen falls die eigene Recherche neue wichtige Informationen zu Tage fördert
  • Eigene Recherche/Vernetzung der Helfer
    • Durch Suchen nach Benutzernamen oder Verfolgen der entsprechenden ReTweets und/oder Hashtags Ausschau nach anderen Menschen halten die sich Mühe geben Hilfe zu leisten und sich mit diesen (nicht öffentlich) über die bereits eingeleiteten Maßnahmen absprechen und das weitere Vorgehen beraten
    • Sofort neue Informationen sofort der Polizei mitteilen, bspw. Namen, Aufenthalts-/Wohnort des Betroffenen
  • Versuch auf den Fall aufmerksam zu machen
    • ReTweet, bzw. Hilferuf an andere Twitterer senden
    • Auf mögliche “Anstachler”-Tweets reagieren (SPAM melden, die Anstachler zusammenscheißen oder blockieren?)
  • Versuch mit dem betroffenen Menschen Kontakt aufzunehmen (vermutlich am besten via DM?)
    • Hier ist vermutlich viel Fingerspitzengefühl nötig, deswegen nur wenn ihr Euch das zutraut und/oder die Person kennt. Auf jeden Fall: Nehmt den Menschen und seine potentielle Verzweiflung ernst!!!
Was zu unterlassen wäre:
  • Solche Mitteilungen einfach zu ignorieren
    • Das ist das Prinzip “Verantwortung abgeben”, sind ja “genug andere hier um zu helfen, irgendeiner hilft sicher schon, da brauch ich nicht selber aktiv werden”. Dieser Reflex führt bei Unfällen aller Art oft dazu, dass niemand hilft obwohl viele Menschen zur Hilfe in der Lage gewesen wären.
  • Skandalisierungen jedweder Art
    • Auch und vor allem falls sich in diese Sache ein “Journalist” aus dem Boulevard einschaltet, ignorieren, blocken.
    • Auch immer den “Werther Effekt” im Hinterkopf haben, denkt an Eure Follower wenn ihr über Suizid twittert
  • Privatsphärenverletzungen
    • Sollte die Person mit Klarnamen identifiziert sein, gehört das nicht veröffentlicht sondern an die Helfer (vor allem aber die Polizei) weitergegeben, sofern ihr solche Tweets seht, bittet die Nutzer diese zu löschen!
    • Ebenso wenig sollte die Situation oder die Beweggründe, sofern nicht in der Ankündigung bereits veröffentlicht, genannt werden auch wenn sie Euch bekannt sind
  • “Weniger ist mehr”
    • unterbindet alle Spekulationen
    • ignoriert Nachrichten diejenigen welche “allgemein” in der Situation über Suizid “philosophieren wollen”, das hat in solchen Situationen nichts zu suchen!
    • Bittet andere, die möglicherweise diesen Fall zur Bühne nutzen, still zu sein. Zeigt Ihnen auf dass sie damit nur schaden anrichten. Oder ignoriert/blockiert sie.

Diese ToDo- und NotToDo-Listen werde ich immer wieder anpassen und aktualisieren, betrachtet sie bitte als Diskussionsstarter. Ich habe zu dem Thema leider zu wenig wirklich brauchbares gefunden. Alle diese Überlegungen entstammen der eigenen Beschäftigung mit diesem Thema und ein paar Gesprächen mit anderen Nutzern dazu. Bitte zeigt auf wo ich falsch liege, empfehlt was besser zu tun oder zu unterlassen wäre.

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